Warum überhaupt noch Erstkommunion feiern?

Als Vater dreier Kinder und Leiter von Erstkommunionskursen möchte ich in mehreren Thesen der Frage nachgehen, warum es den Eltern offensichtlich so wichtig ist, dass ihr Kind zur Erstkommunion geht.

Motive von Eltern

Es erstaunt schon, dass nicht nur in unserer Kleinstadt mit 25 000 Einwohnern, sondern überall noch nahe 100 % Kinder im dritten Schuljahr zur Erstkomunion geführt werden. Ob dies sinnvoll ist oder nicht, soll hier nicht diskutiert werden. Als Vater dreier Kinder und Leiter von Erstkommunionskursen möchte ich in mehreren Thesen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – der Frage nachgehen, warum es den Eltern offensichtlich so wichtig ist, dass ihr Kind zur Erstkommunion geht. Dabei schleichen sich – zumal bei Hauptamtlichen – schnell die Vorurteile ein, dass „weltliche“ Motive überwiegen. Diese durchaus vorhandenen Gründe dürfen uns aber nicht den Blick verstellen auf die oftmals tiefe Sehnsucht nach gelungenem Leben für sich und seine Kinder, die die Menschen bewegt.

Das „Nike-Motiv“: Eine erste, vielleicht etwas drastisch anmutende These lautet, dass die Eltern deshalb den ganzen Aufwand betreiben, weil dem eine ihnen aus dem alltäglichen Leben bekannte und praktizierte Verhaltensweise zugrunde liegt. Es beginnt schon bei den kleinen Kindern: Der Buggy ist von Herlag, die Brotdose im Kindergarten von Tupper, der erste Schulranzen von Scout usw. In diesen modischen Wettkampf, bei dem nur gewinnt, wer mitmacht, fügt sich die Erstkommunion nahtlos ein. Dann gilt es, in den Disziplinen das teuerste Kleid, das meiste Geld, die größte Feier und die besten Fotos zu bestehen. Wer da nicht mitmacht, kommt in Verruf und wird zum Gesprächsthema bei den anderen Eltern. Gar nicht zu reden von dem beleidigten Kind, das sich völlig ausgeschlossen vorkommt, bei einer Sache übrigens, von der es vielfach nur den Namen kennt.

Vollendung der Taufe: Sichtbares Zeichen ist hier das weiße Kleid der Mädchen oder auch die „Kutten“, die in vielen Gemeinden von allen Kommunionkindern getragen werden. Mit der Taufe erwarten die Eltern vielfach eine Art Schutz und Schild für ihr Kind, die sie zwar nicht konkret benennen können, die sie sich aber für ihr Kind sehnlichst wünschen. Da tut ein solcher Ritus gut, zumal er nicht schaden kann, wird mir doch durch diesen Ritus die Erfüllung meiner Wünsche versprochen. Der Schutz- und Schild-Gedanke lebt plastisch im Bild des weißen (Tauf-)Kleides wieder auf und lässt mich zu dieser Möglichkeit des Guten für mein Kind greifen.
Die Kehrseite dieser Medaille ist oft, dass es danach so eine Art Erlösung von der Kirche gibt. Mit der Erstkommunion, der Quasi-Vollendung der Taufe, entlasse ich die Kinder in die Freiheit von der elterlichen Sorge, was ihre Religiosität betrifft. Die Kinder haben die Kirche/den Glauben nun hinreichend von innen her kennen gelernt und können und sollen nun selbst Verantwortung für ihren Glauben übernehmen. Wobei für alles andere natürlich selbstverständlich weiter die Eltern zuständig sind.

Feste feiern: Die Erstkommunion ist ein herausgehobenes Fest im Leben der Menschen. Es wird ein kaum vergleichbarer Aufwand getrieben, allenfalls Hochzeiten werden ähnlich gefeiert. Die Menschen haben offensichtlich ein Bedürfnis nach solchen Feiern, im Mittelpunkt zu stehen – und in meinem Kind steh ich im Mittelpunkt – und Gastgeber zu sein. Mir und anderen kann ich zeigen, dass ich jemand bin, der zu feiern versteht, der ein toller Gastgeber ist und nicht zu knausern braucht.

„Ich bin katholisch“: Eine Reihe von Motivbündeln werden überhaupt nicht hinterfragt. Dazu gehört auch die gut katholische Familie, wo sich niemand die Frage stellt, ob das Kind zur Erstkommunion geht. Es geht eben, weil es schon immer so war, weil wir katholisch sind und weil…? Diese Menschen würden höchst erstaunt reagieren, wenn jemand nach Motiven für die Erstkommunion fragen würde. Es ist eben ein Teil unseres (geplanten) Lebens.

„Die Oma möchte es so gerne“: Wer kennt sie nicht, die lieben Omas und Opas, die noch von der guten alten Zeit schwärmen, in der wir alle katholisch waren, zwar Angst hatten vor dem Pfarrer – das aber kollektiv.“ „Und das möchte ich bitte noch erleben, dass mein Enkelkind zur Erstkommunion geht. Ich bezahle auch das Kleid.“ Aus dem gut gemeinten Anstoß, dem Kind in punkto Religion was Gutes zu tun, wird oft genug ein moralischer Druck, dem sich die Eltern nicht entziehen können. Steht doch als Schreckensvision an der Wand, dass die Oma das womöglich nicht mehr erleben kann, ihr also eine Art vorweggenommener „letzter Wille“ erfüllt wird.

„Hilfe, ich weiß nicht mehr weiter“: Viele Eltern sind sich in der Vermittlung ihres Glaubens sehr unsicher. Sie befürchten, falsche Aussagen über Gott, Jesus und die Kirche zu machen und tun lieber gar nichts. Von der Erstkommunionvorbereitung erhoffen sie sich nun – ähnlich wie vom Religionsunterricht – eine fundierte Glaubensunterweisung. Deshalb gibt es immer noch häufig den Ruf nach dem Pastor in der Erstkommunionvorbereitung, denn der wird es ja wohl ganz genau wissen. Die Katechetinnen oder Tischmütter wissen doch bestimmt nicht mehr als ich.

Konkrete Lebenshilfe: Auch dieses Motiv findet sich: Ich habe den Glauben in meinem Leben als Halt und Stütze, als lebensförderlich erfahren und möchte meinen Kindern die gleiche Erfahrung vermitteln. Erstkommunion ist dann ein Schritt auf dem Weg zum erwünschten eigenständigen Glauben der Kinder. Ich will, dass es meinem Kind gut geht, und dazu gehören Glaube und Kirche.

„Entscheide dich selbst“: Dies ist eines der wenigen Motive, das mir einmal bei einem Anmeldegespräch eine Mutter konkret genannt hat. Die Eltern waren beide aus Überzeugung aus der Kirche ausgetreten, wollten aber, dass ihr Kind mit zur Erstkommunion geht. Es kam nun der berühmte Satz: „Unser Kind soll sich einmal selbst entscheiden.“ Hier aber hatten sich die Eltern klargemacht, dass ich nur eine Entscheidung für oder gegen etwas treffen kann, wenn ich die Chance hatte, es kennen zu lernen. Also schickten sie ihr Kind in den katholischen Kindergarten, die katholische Grundschule und auch zur Erstkommunion. Ihre eigene Überzeugung hielten sie dabei nicht hinter dem Berg, gaben aber dem Kind die Chance, sich selbst ein Bild zu machen.

Im Durchschauen erscheint mir meine Auflistung möglicher Motive der Eltern als eine recht negative Ansammlung nicht ausreichend religiös motivierter Hintergründe. Dabei kommt es mir nicht darauf an, in richtige und falsche, christliche und gesellschaftliche Gründe zu trennen. Keines dieser Motive wird auch in Reinkultur vorkommen, es wird sich immer um eine mehr oder weniger breit gefächerte Motivauswahl handeln.

Zwei Fragen haben sich mir aufgedrängt:

  1. Was waren denn deine Motive? Ich könnte jetzt abwiegeln, dass sich einem hauptamtlich in der Kirche Beschäftigten diese Frage schon gar nicht stellt, aber wenn ich ehrlich nachdenke, finde auch ich mehrere Spuren. Klar ist da ein Anteil von „katholisch sein“. In unserer Familie ist es ein selbstverständlicher Schritt auf dem Lebensweg unserer Kinder, zur Erstkommunion zu gehen, Gott, Jesus und Glauben aus einer anderen als der elterlichen Perspektive vertieft kennen zu lernen. Auch die „Lebenshilfe“ gehört dazu, aber ein bisschen mitlaufen mit den anderen ist sicher auch dabei.
  2. Was liegt darunter verborgen? Paul M. Zulehner hat „Name“, Macht“ und „Heimat“ als die Unwünsche des Menschen beschrieben: Finde ich nicht in jedem Motiv ein Stückchen dieser Urwünsche? Liegt nicht begraben unter der Last des Alltags, oft mir selbst verborgen, eine tiefe unerfüllte Sehnsucht nach gelungenem Leben? In dem Leben, wie ich es mir erträume, da habe ich einen Namen und ein Gesicht, da bin ich einmalig. Da kann ich Leben und Welt gestalten, bin ganz und heil. Da erlebe ich Geborgenheit und habe ein Zuhause, bin fest verwurzelt. Diese meine Sehnsüchte verlangen nach Ausdruck, nach Festen, in denen ich mich vergewissere, dass andere meine Träume teilen. Ich bin mit den vielen unterwegs zu einem Leben in Frieden und bin doch bestätigt in meiner Einmaligkeit. Zulehner schreibt dazu:

All diese Feste
sind eine Verheißung,
dass Hoffnung auf Leben
kein Trug,
keine Täuschung.
Spuren gelungenen Lebens;
sie geben uns eine Ahnung von dem,
was noch aussteht:
von gutem, ewigem Leben

Georg Kalkum